Archäologen stoßen auf neue Hinweise zu Dähres Geschichte

Dähre – Archäologische Untersuchungen sind in unseren Tagen kein alltägliches Thema, sie bekommen jedoch durch die 800-Jahr-Feier des Ortes eine besondere Aktualität: War das im heutigen Altmarkkreis Salzwedel liegende Dähre auch früher ein Ort wie jeder andere? Oder gibt es Hinweise auf ein identitätsstiftendes Geschehen wie besondere Ereignisse oder Bauwerke?

Erstaunlicherweise sind im „Corpus diplomaticus Brandenburgensis“, einer Sammlung von Urkunden, Chroniken und anderen Quellenschriften zur Geschichte der Mark Brandenburg, zu der ja einst auch die Altmark gehörte, eine Reihe solcher Quellen abgedruckt, die den Ort Dähre betreffen. Im Rahmen von vorbereitenden Untersuchungen eines Kirchturmneubaus fanden 2004 und 2005 archäologische Ausgrabungen durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) statt, die völlig unerwartete Hinweise zu Dähres Vergangenheit lieferten.

Kirche Dähre mit dem später abgerissenen Kirchturm, Ansicht von Osten, um 1900.
abb.: slg. bock/leineweber/landesamt für archäologie

Die archäologischen Untersuchungen begannen unter fachlicher Anleitung des LDA als ehrenamtliches Teamwork von Mitgliedern des „Fördervereins St.-Andreaskirche Dähre“, des Vereins „Junge Archäologen der Altmark“, ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern und Freiwilligen aus der Gemeinde Dähre.

Kirchturm bekam Risse und stürzte ein

Der Hintergrund: Im Jahr 1939 bekam der quadratische, romanische Kirchturm in Dähre Risse, stürzte später teilweise ein und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgebrochen. Dies war 50 Jahre später Anlass genug, einen Förderverein für dessen Wiederaufbau zu gründen. Bei den notwendigen Baugrunduntersuchungen kamen völlig unerwartet Reste verkohlter Bauhölzer zutage, deren Fälldatum an den Beginn des 13. Jahrhunderts datiert werden konnte.

Das im Vergleich zu anderen altmärkischen Dorfkirchen mächtigere Kirchengebäude gehörte in vorreformatorischer Zeit zusammen mit Salzwedel, Kuhfelde und Seehausen zu den vier sogenannten Archidiakonatskirchen des Bistums Verden in der nordwestlichen Altmark. Die Erstnennung dieser Propstei fällt in das Jahr 1223, der Dorfname datiert bereits in das Jahr 1219.

Glockenstuhl der Kirche Dähre, in den 1950er Jahren unter Verwendung von Bauhölzern des alten Turms errichtet. abb.: slg. bock/leineweber/landesamt für archäologie

Unter dem erhaltenen Fundament des eingestürzten Turmes wurde die Gründung eines viel älteren, völlig unbekannten, massiven Rundturms und eines weiteren, noch darunterliegenden Fundaments sichtbar. Bis in einen Meter Tiefe wechselten sich im Turminneren Brand- und Bauschutthorizonte mit alten Fußböden ab – ein deutliches Zeugnis für mehrere Feuersbrünste und bauliche Veränderungen.

Einzigartiger Fund in Sachsen-Anhalt

Und unter allen Fundamenten fanden sich dann auch noch Gräber, die offenbar noch älter sind. Die in Kastensärgen in Rückenlage bestatteten Toten blickten gen Osten. Zur allgemeinen Überraschung fand man dann noch inmitten der Gräber eine kleine, gewölbte Wikingerfibel aus der Mitte des 10. Jahrhunderts, eine von Frauen genutzte Gewandschließe. Das gegossene Stück zeigt ein in sich verschlungenes, aus der altnordischen Mythologie entlehntes Fabeltier und ist in Sachsen-Anhalt einzigartig.

Fundament des quadratischen Turms mit seinen Stützpfeilern an der Westseite des Schiffes, darunter das des Rundturms. abb.: slg. bock/leineweber/landesamt für archäologie

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